Der Rest ist Schweigen – Shakespeare – «Hamlet»

Wer mich kennt, der weiss, dass ich eher der Denkertyp bin. Es kommt immer wieder vor, dass ich mich in einer Gruppe nicht zu Wort melde und einfach still dabeistehe oder -sitze. Das kann am Gesprächsthema liegen, das mich vielleicht nicht interessiert oder es ist ein Thema, zu dem ich nichts sagen kann. Öfters aber ist aber eben auch, weil ich in meinen Gedanken ganz woanders bin. Meine Gedanken haben, ohne dass ich etwas dagegen machen könnte, einen hohen Stellenwert für mich. Es kommt mitunter vor, dass ich, komplett in Gedanken versunken, nicht bemerke, dass mich jemand angesprochen hat. Mein Gehör ist nicht auf Empfang gestellt, weil der Kopf mit anderen Aufgaben beschäftigt ist.

Anders ist es, wenn ein Thema angeschnitten wird, das mich interessiert, dann schiessen tausend Gedanken in meinen Kopf und ich komme mit Erzählen gar nicht nach. Nicht selten kommt es dann vor, dass sich die Worte auf meinen Lippen überschlagen und keine vernünftigen Sätze aus meinem Mund herausgelangen. Ich komme dann nicht umhin, mir ganz bewusst vorzunehmen, auch andere zu Wort kommen zu lassen. Schwenkt das Thema in eine andere Richtung, klinke ich mich dann oftmals wieder aus. Vielleicht um das Thema gedanklich zu vertiefen oder weil das Thema andere Gedanken in mir ausgelöst hat.

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Ich habe hier erläutert, dass Smalltalk für mich schwierig ist. Noch gar nicht beschrieben habe ich, dass es natürlich auch schwierig ist, mit mir Smalltalk zu führen. Oftmals gelingt es mir nicht, Interesse vorzutäuschen, weil ich solche oberflächlichen Gespräche einfach nicht mag. Es kommt jedoch auch vor, dass ich mich mitten im Gespräch rausnehme. Dann mache ich das aber nicht bewusst oder gar absichtlich.

Stellen wir uns folgende Situation vor: Jemand erzählt mir etwas über irgendein banales Thema – ich stelle mir dann immer vor, dass der das auch nur macht, weil er die Stille nicht erträgt -, ich bemühe mich, zuzuhören und gebe zwischendurch ein «ah ja», «ok» oder «alles klar» von mir. Plötzlich fällt mir etwas auf, das meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. «Mensch, stehen da viele Leute an. Wären wir doch etwas früher rübergekommen, dann müssten wir nicht so lange warten.» Ich bin komplett in Gedanken und habe nicht mal wahrgenommen, dass die andere Person immer noch mit mir spricht. Es ist sogar schon vorgekommen, dass ich der Person einfach davongelaufen bin und es erst im Nachhinein bemerkt habe.

Vor ein paar Jahren bin ich mit einem Bekannten im Restaurant essen gewesen. Die haben da – was ich überhaupt nicht verstehe – die Zweiertische so nahe nebeneinandergestellt, dass es eigentlich ein Vierertisch gewesen ist, an dem wir gesessen und gegessen haben. Mein Bekannter und ich haben uns über irgendein Thema unterhalten und weil vieles in meinem Umfeld gleich laut ist, nehme ich eben auch wahr, was am Nebentisch passiert. Das kann auch mal unterbewusst aufgenommen und abgelegt werden. In der Situation habe ich den abgelegten Gedanken aber wieder aufgenommen und mich mit meinem Bekannten über genau das Thema unterhalten wollen, welches die Zwei am Nebentisch Sekunden zuvor vertieft hatten. Wie mir der Bekannte später erzählt hat, wollte er mir unauffällig zu verstehen geben, dass wir das Thema wechseln sollten. Leider habe ich das nicht verstanden und mein Gegenüber musste beschämt darauf warten, bis ich alles gesagt hatte, was ich zu dem Thema wusste.

Was ist da passiert? Ich bin im Gespräch mit meinem Gegenüber gewesen und habe – vermutlich unterbewusst – aufgenommen, was am Nebentisch besprochen wurde. Blitzschnell standen in meinen Gedanken zig Fakten zu diesem Thema abrufbereit, die ich loswerden und meinem Bekannten unterbreiten wollte. Dass die Leute am Nebentisch, sich vor Sekunden genau über dieses Thema unterhalten haben, habe ich in dieser Situation nicht bewusst wahrgenommen oder bereits vergessen.

Hier wäre es besser gewesen, wenn ich die Gedanken, die ausgelöst wurden, für mich behalten hätte. Leider habe ich das nicht gekonnt, weil mich das Thema zu sehr interessiert hat.

Es gibt immer wieder Situationen, die stürzen mich in die tiefsten Gedanken. Einiges davon teile ich dann mit, auch wenn ich vielleicht verschiedenste Gedankensprünge gemacht habe. Aber der Rest ist Schweigen.

Smalltalk? Darf ich Ihnen das Tschüss anbieten?

«Hallo, schönes Wetter heute.» «Ja, schön, dass die Sonne heute wieder rauskommt.» – «Na, hast du den FC gesehen gestern? Die haben ja echt klasse gespielt.» «Ja, nur Vainazas hat wieder etwas übertrieben.» Solche und ähnliche Gespräche finden tagtäglich immer wieder statt. Die Rede ist vom Smalltalk. Der Smalltalk überbrückt immer wieder sogenannte peinliche Situationen. Er findet im Aufzug statt, beim Essen holen, zur Begrüssung, beim Warten auf einen Termin usw. Viele Menschen, um nicht zu sagen die meisten Menschen, können mit Ruhe gar nicht mehr umgehen. Was heute fast keiner mehr weiss: Es muss nicht immer gesprochen werden, man kann auch mal einfach still nebeneinander hergehen. Die Gesellschaft lehrt uns jedoch etwas anderes. Smalltalk wird sogar als wichtig angesehen, gerade auch im beruflichen Umfeld.

Ich bin da eher nicht so begabt. Entweder interessieren mich die Smalltalk-Themen nicht oder ich weiss schon gar nicht, welches Thema ich anschneiden soll. Der Sinn eines Gespräches, das beide Gesprächspartner eigentlich nicht wirklich interessiert, erschliesst sich mir nicht. Wieso ein Gespräch führen, dass uns die Situation aufgezwungen hat? Zudem werden in solchen Situationen häufig Fragen gestellt, die absolut keinen Sinn ergeben. Eine Frage z.B. wird immer wieder gestellt: «Ah, du bist auch hier?» Solche sinnfreien Fragen verdienen eigentlich keine ernsthafte Beantwortung. Ich würde am liebsten antworten: «Nein, ich hab’s leider nicht geschafft. Was du hier vor dir siehst ist nur ein Hologramm, dass ich projiziere, um den Anschein zu erwecken, dass ich auch hier bin.» Dasselbe zu Terminen an bis dahin noch nicht bekannten Orten: «Ah, haben Sie’s gefunden?» – «Nein, ich bin noch auf der Suche. Dass Sie mich hier vor sich sehen, ist nur eine Illusion, die Ihnen Ihre Wunschvorstellung als scheinbare Wahrnehmung vorgaukelt.»

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Verwickelt in einen Smalltalk, fällt es mir – infolge mangelndem Interesse – oftmals schwer die Aufmerksamkeit aufrechtzuhalten. Sticht mir etwas ins Auge oder kommt mir etwas in den Sinn, kann es vorkommen, dass ich mich in der Situation ausklinke und in Gedanken verliere. Dabei bin ich mir nicht einmal mehr bewusst, dass jemand versucht hat, mit mir zu sprechen. Das Interesse am Thema ist wohl der Hauptgrund, weswegen ich mich nicht für Smalltalk erwärmen kann. Ich habe kein Interesse an oberflächlichen Themen. Interessiert mich jedoch das Thema, kann ich mich auch nicht auf Smalltalk einlassen. Ich will dann zu sehr in die Tiefe, weiss zu viel, sage zu viel, höre zu wenig zu.

Schwierig ist es auch, wenn ich mich gerade mit einem uninteressanten Smalltalk abmühe und dann jemand in meinem Blickfeld auftaucht, mit dem ich viel interessantere Themen wüsste, vielleicht sogar gemeinsame Interessen mit ihm pflege. Dann werde ich nervös und will das uninteressante Gespräch möglichst zeitnah hinter mich bringen.

Wie oben beschrieben, kommen mir in Smalltalk-Situationen oft keine Themen in den Sinn. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich auf Smalltalk vorzubereiten. Ich versuche herauszufinden, welche Themen mögliche Smalltalk-Partner interessieren und lese mich ein wenig (oder auch etwas mehr) ins Thema ein. Für Fussballbegeisterte habe ich eine Fussball-App, für Eishockey eine Eishockey-App usw. Es versteht sich von selbst, dass das nur bei Personen funktioniert, von denen ich die Interessen kenne.

Smalltalk? Darf ich Ihnen das Tschüss anbieten? Ja, mittlerweile gehe ich relativ locker damit um. Und bis zum nächsten Smalltalk gehe ich nochmals auf Internetrecherche.

Mein lieber Herr Gesangsverein, seien Sie mal nicht so negativ!

Gewillt die Unterschiede zwischen Aspies und neurotypischen Menschen aufzuzählen, verfallen die Aufzählenden auffallend häufig ins immer gleiche Schema: Negation statt Affirmation. Infolgedessen sind die Zuhörer – verständlicherweise – versucht, den Asperger als Störung, als Behinderung aufzufassen. Das sei Ferne! Natürlich behindert mich mein Asperger in meinem Leben, aber das tun langsam gehende Menschen auf dem Bahnsteig auch.

Ich will ja gar nicht schönreden oder verniedlichen, dass ich in meinem Alltag immer wieder mit Situationen zu kämpfen habe. Wie schnell führen schon Kleinigkeiten zu einem Overload. Ohne Rückzugsmöglichkeiten ist der Meltdown oder gar der Shutdown schon vorprogrammiert. Aber was will ich mich von solchen Situationen runterziehen lassen?! An Tagen, an denen ich schon unsicher, hypersensibel und dünnhäutig in den Tag starte, habe ich dem Kampf meistens schon beinahe verloren. Wieso dann noch negativ sein? Da ich mich nicht verbiegen kann, muss ich versuchen, mit dem klarzukommen, was ich bin.

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Es ist doch so: Ich bin, wer ich bin. Als Aspie verbringe ich sehr viel Zeit damit, mich anzupassen. Seit meiner Diagnose habe ich mich immer besser kennengelernt. Ich weiss heute besser, worauf ich wie reagiere. Ich erkenne viele Situationen schon bevor sie eintreffen und halte dann dagegen. Ich ziehe meine Sonnenbrille an, bevor mir die Sonne fast die Netzhaut abbrennt. Ich setze meine Kopfhörer auf bevor mir die vielen Stimmen um mich herum den Schädel platzen lassen. Grossen Menschenansammlungen gehe ich wenn immer möglich aus dem Weg. Es ist mir egal, wenn auffällt, dass ich anders bin. Menschen reden übereinander, das kann man nicht beeinflussen. Es sei hier festgehalten: Man kann es sowieso nie allen recht machen.

Heute bin ich eigentlich auch stolz darauf, zur Familie der Aspies zu gehören. Wir haben Schwächen, das haben neurotypische Menschen aber auch. Wir haben jedoch auch Stärken, wir können uns zum Beispiel optimal auf bestimmte Dinge fokussieren. In Themen, die uns interessieren, verbeissen wir uns richtiggehend. Wer einen Aspie richtig kennenlernt, lernt bald auch die positiven Seiten des Aspergers hinter den Kulissen kennen. Heute ist Welt-Autismustag. Wenn du noch nicht viel über Asperger oder Autismus allgemein weisst, nutze doch die Gelegenheit und lerne uns besser kennen. Mache doch auch einen Schritt auf uns zu.

Mein lieber Herr Gesangsverein, seien Sie mal nicht so negativ! Asperger sind nicht behindert und nicht gestört, wir sind einfach nur anders.

Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen – Aristoteles

Es kann passieren, dass es mich überkommt und dann spreche ich offen über meine Diagnose. Ich bin es manchmal einfach leid, damit hinterm Berg zu halten, was ich bin und wer ich bin. Nach ein paar ausgetauschten Sätzen bereue ich dann aber öfters, dass ich mich nicht zurückhalten konnte. Wer sich noch nie mit Asperger oder allgemein mit Autismus auseinandergesetzt hat, denkt häufig erst einmal an Rain Man. «Aber du bist doch gar nicht so» ist dann der Tenor oder «bei dir hätte ich jetzt aber nie was gemerkt». Ja, ich bin kein Savant wie Rain Man. Und nein, ein flüchtiger Blick reicht mir nicht, um Zahnstocher am Boden zu zählen.

Dafür bin ich mit einer Schauspielgabe gebenedeit. Damit will ich nicht den Eindruck erwecken, ich wäre der geborene Hamlet für die grosse Bühne. Ich kann mich einfach gut verstellen. Ich habe schliesslich schon mein ganzes Leben Erfahrung damit. Und obgleich ich gerne eine Inselbegabung wie Savants hätte, ich kann leider nicht damit dienen. Es gibt nicht dieses eine grosse Thema, das mich vor allen anderen Dingen interessiert. Mich interessiert einfach zu viel. Lese ich ein Buch, habe ich mir dabei ein Dutzend weitere Bücher notiert, die ich auch lesen möchte.

Ich kann keinen Film schauen, ohne nicht mindestens fünf-, sechsmal die Pause-Taste gedrückt zu haben, um mir nähere Infos zu den Schauspielern, der Filmmusik oder sonst etwas beschafft zu haben.

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Ich schliesse wahnsinnig gerne Wissenslücken, kenne dabei aber fast keine Grenzen und kann mich mühelos in beliebig vielen Themengebieten verlieren. Derweil stellt Goethes Margarete auch mir die berühmte Gretchenfrage: Verzettelst du dich denn nicht bei all den Themen, die dich interessieren? Und noch während sich hier Fachwissen und Wissensdurst zuwiderlaufen, wechsle ich schon zum nächsten Interessengebiet.

Gesetzt den Fall, ich muss mich wirklich – und damit meine ich unausweichlich – eingehend mit einem bestimmten Thema beschäftigen, bleibt mir nichts anderes, als mich richtiggehend zu zwingen, keine Ablenkung durch Recherche zu einem weiteren Thema zuzulassen. Das ist beileibe nicht einfach und erfordert höchste Konzentration.

Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen. Ich auch. Denn ich bin ja auch nur ein Mensch.

Natürlich spreche ich mit mir selbst – manchmal brauche ich eben kompetente Beratung

Es sei vorausgeschickt, dass ich nicht immer alles so ernst meine, wie es den Eindruck machen könnte. Es ist immer auch eine Portion Selbstironie dabei. Meine Frau würde wohl das eine oder andere Emoji setzen. Aber das ist nicht so meine Art. 😒

Als Aspie kommt man nicht umhin, sich zu fragen, welche Eigenschaften (oder Eigenarten) man auch ohne Asperger-Syndrom hätte. Was an mir wäre ebenfalls so, wenn ich kein Asperger hätte? Meine Meinung dazu: Es spielt keine Rolle. Ich habe nämlich keine Vergleichswerte. Es gibt für mich kein Leben ohne Asperger. Da das Asperger-Syndrom nicht etwas ist, was man heilen und «entfernen» kann, gehört alles, was es beinhaltet, genauso zu mir. Es gibt meines Erachtens keine Linie bei der der Aspie aufhört und die «normale» Persönlichkeit beginnt.

In diesem Blog schreibe ich über Erlebnisse, Gedanken und Meinungen. Weil ich Asperger habe, sind es die Erlebnisse, Gedanken und Meinungen eines Aspies. Das heisst aber nicht, dass sich nicht auch neurotypische Menschen in einigem wiederfinden können.

Ich präsentiere mich nicht im Lichtkleid auf dem Marktplatz, wenn ich verrate, dass ich des Öfteren Selbstgespräche führe. Denn Selbstgespräche kennen wohl die meisten Menschen. Diese Selbstgespräche können bei mir unterschiedlicher Natur sein. Manchmal sage ich einfach laut auf, was ich gerade lese oder schreibe, um mich zu konzentrieren, meinen Fokus auf das zu setzen, woran ich gerade arbeite. Ich weiss, dass ich damit nicht allein bin und diese Art von Selbstgesprächen von vielen geführt wird.

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Nun ist es aber auch so, dass ich mich gerne auch selbst unterhalte. Mal rede ich mir beruhigend zu, ein anderes Mal frage ich mich selbst nach meiner Meinung. Oscar Wilde hat einmal gesagt: Ich bin gern der einzige, der redet – das spart Zeit und vermeidet Streitereien. Diese Art von Selbstgesprächen führe ich je nach Begebenheit laut (jedenfalls hörbar) oder auch nur in Gedanken. Manchmal führe ich in Gedanken ganze Gesprächsabläufe, wäge Pros und Contras ab. In solchen Situationen bin ich dann mitunter derart mit mir selbst beschäftigt, dass mich nur eine Einwirkung von aussen unterbrechen kann. Das zeigt sich dergestalt, dass ich halbstunden- oder gar stundenlang schweigend dasitze und keinen Ton von mir gebe. Meine Frau beschreibt das als nur physisch anwesend, aber in Gedanken weit weg sein, wie vom Ballon in die Welt hinausgetragen.

Natürlich spreche ich mit mir selbst – Selbstgespräch ist für mich auch Reflexion und ein Sortieren und Bündeln meiner Gedanken.

«Sei einfach wie du bist. Irgendwann kommt es doch sowieso raus!» – Anonym

Ursprünglich war dieser Blog als komplett anonymer Blog gedacht. Einerseits wollte ich beim Schreiben keine bestimmten Leser im Kopf haben, andererseits wollte ich meine Diagnose nicht allzu weit streuen. Unterdessen gibt es jedoch Freunde, Bekannte oder Verwandte, die von meinem Blog wissen. Ich bin also nicht mehr ganz so konsequent, wie ich das zu Beginn eigentlich sein wollte. Wieso jetzt diese Ausnahmen? Ich möchte auch weiterhin möglichst anonym bleiben und mich hier nicht mit Foto, Namen und sonstigen Angaben präsentieren. Meine Überlegung war aber, dass diejenigen, die sowieso von meiner Diagnose wissen, ruhig auch meinen Blog lesen können. Das eine oder andere Aha-Erlebnis in diesen Beiträgen kann ja auch dazu führen, mich und mein Asperger ein wenig besser zu verstehen. Wieso also nicht einfach meinen Namen daruntersetzen und den Blog in meinem Umfeld publik machen? Schäme ich mich für meine Diagnose? Kann ich nicht dazustehen?

Nun, ich selbst weiss bald vier Jahre von meinem Asperger. Aber auch wenn ich vorher nicht davon wusste, so war ich trotzdem davon betroffen. Als Aspie wird man geboren. Bis vor vier Jahren wusste niemand davon, weil ich die Diagnose selbst noch nicht hatte. Was ist jetzt nach der Diagnose anders? Ich bin noch derselbe Mensch wie vorher. Für mich war die Diagnose ohne Frage eine Erleichterung. Nun kann ich benennen, was an mir anders ist. Mehr und mehr ist es eine Legitimation mich selbst sein zu dürfen. Aber müssen das auch andere benennen können? Muss jeder wissen, dass ich so bin, wie ich bin, weil ich Aspie bin? Für meine Geschwister zum Beispiel oder auch meine Eltern hat die Diagnose eigentlich keine Bedeutung. Sie kennen mich so wie ich bin, sie kennen keine andere Version von mir. Ich bin einfach ihr Bruder, ihr Sohn.569881099342Ich habe die Erfahrung gemacht, dass einige mit den Schlagwörtern «Asperger» oder «Autismus» nicht umgehen können. Viele davon denken sofort an Savant wie Rain Man. «Aber du bist doch gar nicht so» heisst es dann etwa. Wieder andere sehen vielleicht nur eine „Behinderung“. Ihnen ist der Begriff eine willkommene Möglichkeit, alles Negative stark zu gewichten und das Positive nicht mehr sehen zu wollen. Freie Bahn leichtes Opfer zu sein und für Launen von anderen herhalten zu müssen. Je nach Ausprägung und Training kann das Asperger-Syndrom recht lange unerkannt bleiben und dann spielt sich das meiste im Innenleben ab. Ich merke bei mir einfach, je älter ich werde, je «komplizierter» oder «aufwändiger» mein Leben wird, desto weniger kann ich mich verstellen resp. mich anpassen. Ich bin verheiratet und Vater von vier Kindern. Ich habe nicht mehr dieselben Möglichkeiten, mich aus dem Geschehen rauszunehmen und mich wieder zu regenerieren wie früher. Reizüberflutungen machen mich heute viel schneller müde als früher. Von daher drängt der Asperger immer mehr an die Oberfläche.

Indem ich momentan noch weitgehend anonym bleibe, verhindere ich vorschnell abgestempelt zu werden. Viele Menschen – mich eingeschlossen – denken in Schubladen. Diese Schubladen füllen wir mit allen möglichen Vorurteilen und Meinungen. In die Schublade «Asperger» füllen momentan noch viele Menschen negative Assoziationen. Das wird sich hoffentlich ändern. Denn eigentlich möchte ich offen mit dem Thema umgehen, aufräumen mit den Vorurteilen und die Leute auch von den Vorzügen, die Asperger mitbringen erzählen.

«Sei einfach wie du bist. Irgendwann kommt es doch sowieso raus!» Ja, das glaube ich auch und wenn es dann soweit ist, will ich vorbereitet sein.

Gastbeitrag -Welch ein Glanz in meiner Hütte :-)

Vor einiger Zeit hat mein Mann mich gefragt, ob ich gern mal einen Gastbeitrag für seinen Blog schreiben möchte. Joaa, kann ich schon, hab’ ich wenig begeistert entgegnet. Ich konnte mir nicht so recht vorstellen, was ich denn da schreiben soll.
Als ich nun seinen letzten Blogeintrag gelesen habe und so ganz lebhaft einige solche Erlebnisse mit unerwartetem Besuch vor Augen hatte, beschloss ich doch, das Geschehen mal aus meiner Sicht zu erzählen.

Ich bin in einer sehr gastfreundlichen Familie aufgewachsen. Öfters habe ich mittags spontan Schulkolleginnen zum Mittagessen nach Hause mitgenommen, weil man die doch über Mittag nicht mit dem Fahrrad mehrere Kilometer heim und wieder zur Schule fahren lassen konnte! Verschwendete Zeit so was, dachte ich und forderte bei meiner Mama ein zusätzliches Tischgedeck an, das sie natürlich unkompliziert zur Verfügung stellte. Auch meine Oma väterlicherseits lebt noch heute ganz nach dem Motto: „5 sind geladen, 10 sind gekommen, giess’ Wasser zur Suppe, heiss’ alle willkommen!“. Dieser Spruch hängt gross und in Kreuzstichen auf einen Stoff gestickt, an ihrem Küchenschrank, seit ich denken kann. Ich muss das alles sehr verinnerlicht haben, denn jemanden spontan zu Essen, Kaffee oder Bier einzuladen kommt mir leicht über die Lippen. Manchmal zu leicht, findet mein „geliebter Gegenpol“. 😁 Es fällt mir nicht schwer, zu quasseln, dabei in der Küche herumzuwuseln und gleichzeitig irgendetwas Leckeres zum Essen zu zaubern. Der Schokoladenkuchen ist innert 15 Minuten im Ofen und kann dann, noch warm, zu Kaffee oder Tee genossen werden. Backzutaten habe ich fast immer im Haus. Es ist allerdings schon vorgekommen, dass nichts da war, ausser einer Tasse Kaffee oder einem heissen Tee. Macht nichts, es geht ja um die Gemeinschaft. So etwas geniesse ich sehr. Dabei tanke ich auf.

Ganz im Gegensatz zu meinem Mann. bzw., im Gegensatz zu meinem Mann, wenn er andere Pläne hat als Besuch. Kann er über längere Zeit, wetter- oder zeitbedingt, nicht das erledigen, was er sich vorgenommen hat, wird er hibbelig. „Heute muss ich Laub saugen!“ brummelt er dann zum Beispiel schon beim Morgenkaffee in seinen Bart und sein Blick schweift dazu leicht in die Ferne. Man muss dann aufpassen, dass man ihm nicht noch in die Quere kommt mit einer „platten“ Bitte, sei es auch nur, beim Vorbeigehen den Kehrichtsack mitzunehmen. Nein, das Laub beherrscht seine Gedanken. Steht mein Mann dann mit diesem lärmenden Ungetüm von Laubsauger im Garten, sieht er ganz zufrieden aus bei seiner Arbeit.
Mit der Zufriedenheit ist aber Schluss, sobald jemand am Gartenzaun steht. In meines Mannes Kopf herrscht das Thema „Laub“ dermassen vor, dass alles andere in dem Moment keinen Platz findet. Selbst einen liebevoll von mir zubereiteten und allgemein beliebten kalten Kaffee, lässt er erst mal stehen. Das Laub muss weg!

Früher hat mich das gestresst. Manchmal verstehe ich es heute noch nicht ganz, wenn im Kopf von meinem Mann gerade kein Millimeter Platz für etwas anderes ist, als das, was er sich vorgenommen hat. Mittlerweile reagiere ich aber meist locker. Ich informiere meinen Mann möglichst im Voraus, dass ich spontan jemanden einladen möchte (so ganz spontan ist das für mich dann nicht mehr ;-)) und sage meinen Gästen gleich, dass mein Mann aber noch Laub saugen oder Kaninchenstall ausmisten oder sonstige Tierchen versorgen muss, bevor er sich vielleicht zu uns setzen wird.

So hat niemand Druck. Und: Hat mein Mann keinen Druck, kann es gut passieren, dass er doch den bereitgestellten kalten Kaffee im Augenwinkel sieht und sich dazusetzt, was ich dann jeweils sehr schätze. 🙂

«Welch ein Glanz in meiner Hütte!»

Dieser höfliche Ausspruch wird verwendet, wenn unerwarteter Besuch kommt. Wie ich hier schon mal erwähnt habe, plane ich möglichst im Voraus. Es versteht sich von selbst, dass das nicht immer möglich ist. Hinzu kommt, dass ich zwar planen kann, dann aber auch alles ganz anders kommen kann. Wenn ich an einem Samstag zum Beispiel einen Gartentag eingeplant habe, möchte ich das dann möglichst auch so durchführen. Jetzt kann es immer wieder mal vorkommen, dass spontan jemand bei uns vorbeikommt und uns unangekündigt besuchen will. Während meine gastfreundliche Frau sich freut, den Gästen Kaffee und Kuchen serviert, bin ich erst einmal blockiert, weil ich eigentlich einen Gartentag eingeplant habe und vor allem die offenen Punkte meiner Liste sehe, die ich an diesem Tag eigentlich hätte tun müssen.

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Das fällt natürlich auf, schon nur, weil ich sowieso nicht der überschwängliche Typ bin, der anderen um den Hals fällt, die zu Besuch kommen. Das will heissen, dass ich mich noch emotionsloser als sonst gebe. Wer mich kennt, hat vermutlich kein Problem damit, weil klar ist, dass das keine Ablehnung ist. In dieser Situation fällt es mir nur sehr schwer, mich von meinem Plan zu lösen und mich zu den Gästen zu setzen. Habe ich mich aber gelöst und mit der Situation abgefunden, beruhige ich mich normalerweise relativ schnell. Wenn es aber zum Beispiel ein paar Wochenenden hintereinander schon nicht geklappt hat und dann ausgerechnet an dem einen Samstag jemand vorbeikommt, an dem ich Zeit gehabt hätte, das Wetter gestimmt hat und auch sonst alles gepasst hätte, wird es schwierig für mich. Normalerweise ziehe ich mein Ding dann einfach durch, weil für mich die Vorstellung, diesen Tag einfach auch noch verstreichen zu lassen, unerträglich ist.

Für die meisten neurotypischen Menschen ist diese «Unbeweglichkeit» wohl nicht nachvollziehbar und einfach nur unhöflich. Mir ist hier aber wichtig zu betonen, dass eine solche Reaktion meinerseits nie gegen die Personen gerichtet ist. Vielmehr ist es ein Unvermögen, eine Not, die innere Spannung, die dadurch entstanden ist, zu überwinden.

Für die meisten neurotypischen Menschen ist diese «Unbeweglichkeit» wohl nicht nachvollziehbar und einfach nur unhöflich. Mir ist hier aber wichtig zu betonen, dass eine solche Reaktion meinerseits nie gegen die Personen gerichtet ist. Vielmehr ist es ein Unvermögen, eine Not, die innere Spannung, die dadurch entstanden ist, zu überwinden.

Welch ein Glanz in meiner Hütte! Dieser ironisch gemeinte Satz könnte von mir sein. Damit würde ich auch vermitteln wollen, dass noch nicht alles getan ist und noch viel erledigt werden müsste. In diesem Sinne, bleiben Sie locker, wenn Sie sich das nächste Mal in einer solchen Situation von jemandem unhöflich behandelt fühlen. Vielleicht haben Sie nur gerade jemandes Gartenarbeitspläne durchkreuzt.

Wenn der Admiral gen Süden fliegt, kommt er immer wieder zurück

Ich habe vor vielleicht 14 Jahren ein sehr populäres Buch gelesen. In diesem Buch geht es im Wesentlichen darum, dass wir erkennen können, in welcher Sprache unser Partner oder Partnerin Liebe versteht und sich geliebt fühlt. Ein Beispiel: Ist die Liebessprache deiner Partnerin Zweisamkeit, freut sie sich vielleicht, dass du einmal die Woche einen Blumenstrauss nach Hause bringst. Geliebt fühlt sie sich aber vielleicht vor allem, wenn du z.B.  am Abend Smartphone und Konsorten beiseitelegst und dich – deine volle Aufmerksamkeit auf deine Partnerin gerichtet – mit ihr auf dem Sofa unterhältst. Zweisamkeitsgeliebtfühler wollen Zeit mit dir verbringen. Ist die Liebessprache deines Partners Hilfsbereitschaft, nützt es nicht viel, wenn du deinen Partner lobst, wie toll er seine Arbeit macht. Vor allem, wenn du dabei einfach danebenstehst und deinem Partner zusiehst, wie er in Arbeit versinkt. Hilfsbereitschaftsgeliebtfühler fühlen sich geliebt, wenn du mitanpackst, statt nur tolle Tipps zu geben.

Schon oft habe ich mich über dieses Buch unterhalten. Die Meisten finden diese Idee im Mindesten im Ansatz gut, einige empfinden genauso wie im Buch beschrieben und fühlen sich vom Autor des Buches abgeholt. Gedanklich befasse ich mich nun schon seit beinahe ebendiesen 14 Jahren, seit ich das Buch gelesen habe, immer wieder damit. Etwas hat mich immer gestört, ich konnte nur noch nicht isolieren und definieren, was es genau war.

Viele Asperger-Autisten – und ich werfe hier ganz bewusst nicht alle in einen Topf – haben eine konfuse Beziehung zur Liebe. Ich selbst habe mir im Teenageralter mal bewusst Gedanken über meine Beziehung zur Liebe gemacht. Auslöser dazu war ein Todesfall, der bei mir nicht das ausgelöst hat, was ich erwartet hatte. Ich konnte nicht genau definieren, ob und wie ich dabei empfand. Ich deutete dies damals als Gefühlsvakuum. Ich schloss daraus, dass ich in mir keine Trauer ausfindig machen konnte, dass es sich dann mit anderen Gefühlen genauso verhalten müsse. Zum Beispiel habe ich bis heute noch Mühe, Freude an einem Geschenk zu zeigen. Ich verhalte mich ziemlich gefühlsneutral und sage das Falsche oder das Richtige falsch. Wichtig ist dann erst das, was ich als Textnachricht nachschicke oder zu einem späteren Zeitpunkt (nach Sortieren und Einordnen meiner Gefühle) dazu sage. Diese Überlegungen im Teenageralter sind nun schon über 20 Jahre her, aber ich weiss noch genau, wie ich mir damals überlegt habe, ob ich mich vielleicht psychologisch abklären lassen sollte. Ich hatte Angst, neben Trauer auch niemals Liebe empfinden zu können.

Heute bin ich eines Besseren belehrt worden. Nun weiss ich, dass Schwierigkeiten, Gefühle definieren zu können, nicht deren Nichtvorhandensein bedeuten. Notabene wird man auch älter, sammelt Lebenserfahrung und lernt sich und seine Gefühle besser kennen. Man tut Asperger-Autisten Unrecht, wenn man sie als gefühlskalt oder gar gefühlstot bezeichnet. Es ist schwierig Gefühle zu zeigen oder darüber zu sprechen, wenn man gerade nicht genau weiss, wie man empfindet.

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Die im Buch erwähnten Liebessprachen sollen Liebespaaren helfen, einander ihre Liebe so zu zeigen, dass es der andere versteht. Dass man seinen Partner oder seine Partnerin so kennen sollte, dass man weiss, was es braucht, damit er oder sie sich geliebt fühlt, finde ich richtig und das könnte ich so direkt unterschreiben. Meiner Meinung nach, ist das aber nur eine Seite. Das Buch setzt seinen Fokus darauf, dass ich die Liebessprache meines Partners sprechen kann. Höchstwahrscheinlich ist diese Liebessprache innerhalb der meisten Partnerschaften nicht immer dieselbe, sodass man eine «Fremdliebessprache» lernen sollte.

Um das Beispiel der Fremdsprache aufzunehmen: Wenn ein Engländer eine Französin liebt, sollte der Engländer – nach der Meinung des Autors – lernen «je t’aime» sagen zu können. Die Französin hingegen lernt «I love you» zu sagen. Ich bin lange Zeit der Meinung gewesen, dass «Ich liebe dich» in einer anderen Sprache nie dasselbe ist, wie wenn ich es in meiner eigenen, von klein auf gelernten Sprache sagen kann. Denn diese Sprache geht mir gut und schnell von den Lippen, ich spreche sie intuitiv und spontan. Eine Fremdsprache muss ich gezielt einsetzen, ich muss mir überlegen, wann welche Worte in welche Situationen passen. Diese Sprache ist mir nie so nahe, wie meine eigene Sprache, auch wenn ich sie nach einer gewissen Zeit fliessend sprechen kann. Zudem sind Fremdsprachen immer aufgesetzt und entsprechen nicht dem, was man eigentlich sagen würde.

An diesem Punkt habe ich mich gestossen. Ich habe mir also überlegt, dass es doch sinnvoller wäre, die Fremdsprache des anderen zu lernen, um sie verstehen zu können. Jeder könnte in seiner Liebessprache sprechen und der Partner oder die Partnerin wüsste sich – dank seinen Fremdliebessprachenkenntnissen – geliebt. Soweit, so gut.

Katherine Hepburn hat einmal gesagt: «Liebe ist nicht das, was man erwartet zu bekommen, sondern das, was man bereit ist zu geben.» Recht hat sie. Eine andere Liebessprache zu sprechen heisst: Ich interessiere mich für dich. Ich nehme deine Bedürfnisse ernst und versuche immer besser darauf einzugehen.

Will ich hingegen, dass mein Partner/meine Partnerin meine Liebessprache verstehen lernt, damit ich mich nicht verändern und schon gar nicht anpassen muss, spricht allein schon das nicht unbedingt für die Liebe. Für die Liebe verdreht man sich auch mal, im positiven Sinn gemeint.

Die Liebessprache des anderen verstehen zu wollen, kann jedoch genauso heissen, dass man sich für den anderen interessiert. Aus Liebe will man die Sprache des anderen verstehen können. Wenn die Französin versteht, was der Engländer mit «I love you» sagt und die Französin weiss, was der Engländer mit «Je t’aime» meint, gewinnen meiner Meinung nach beide dazu.

Ich bin für mich zum Schluss gekommen, dass die Kombination wohl die interessanteste Lösung ist. Beide gehen aufeinander ein, beide sind zweisprachig und können beide Sprachen sowohl sprechen, wie auch verstehen. So können wir schätzen, dass der Partner oder die Partnerin sich bemüht die Sprache des anderen zu sprechen und verstehen den Partner trotzdem, wenn er seine Liebe mal in seiner Liebessprache ausspricht. Plötzlich hat man vielmehr Möglichkeiten sich gegenseitig die Liebe zu zeigen.

Der Asperger-Autist und die Liebe! Mittlerweile bin ich nun seit über 15 Jahren mit meiner Frau fürs Leben verheiratet. Wie kommt es, dass ich etwas mehr als 5 Jahre zuvor noch nicht wusste, ob ich jemals lieben kann? Und dann heirate ich, binde mich fürs Leben an eine Frau und gründe mit ihr eine Familie. Die Antwort ist so simpel wie kitschig: Weil es die richtige Frau ist. Ich wusste es damals einfach. Es war mir schlicht klar, dass ich die Frau fürs Leben gefunden hatte. Mit ihr wollte ich eine Familie gründen und mit ihr will ich alt werden. Und in der Lebensachterbahn mit allen Tiefs und Hochs steht eines fest: Es wird nie einen Zweifel geben, sie ist es.

Als Asperger-Autist kann ich viel besser über Entscheide, Vernunft und Verstand sprechen. Für mich ist Liebe mehr als nur ein Gefühl. Bei der Liebe geht es auch viel mehr um einen Entscheid. Natürlich wünscht man sich immer wieder mal auch die Schmetterlinge der Anfangszeit zurück. Das spricht natürlich die Gefühlswelt an, also der für mich etwas schwierigere Teil meines Innenlebens. Es ist nun an mir, dazuzulernen, mich noch mehr mit der Liebessprache meiner Frau auseinanderzusetzen. Aus Liebe, aus Wertschätzung und Anerkennung. Und es sei darauf hingewiesen: Liebessprachen können sich im Verlauf des Lebens ändern. Das heisst also dranbleiben. Es mag manchmal den Eindruck machen, die Schmetterlinge der Anfangszeit wären gerade nicht da. Und manchmal sind sie es vielleicht wirklich gerade nicht, weil Alltags- und Arbeitsstress bedrücken. Aber keine Angst wegen der Schmetterlinge, Schatz:

Es sind Admiral, die sind ziemlich sicher nur gerade gen Süden geflogen. Die kommen immer wieder zurück!

Planung ist das halbe Leben oder Unvorhergesehenes kommt selten allein

Planen, wissen, was auf einen zukommt. Das mag ich. Ich bereite mich gerne vor. Mache ich eine Reise oder steht irgendein Ereignis bevor, sammle ich alle möglichen Informationen. Ich will vorbereitet sein, auf möglichst alles, was da kommen könnte. Natürlich setzt das voraus, dass ich mir verschiedene Szenarien überlege. Was könnte passieren, welche Unklarheiten könnten entstehen? Dann überlege ich mir Reaktionen auf die möglichen Szenarien. Was muss ich tun, wenn….?

Muss ich irgendwo hin, wo ich noch nie gewesen bin, schaue ich mir die Route an. Dabei schaue ich, wo ich dann überall durchfahren müsste und ob es allenfalls Alternativrouten geben würde. Beim Ziel schaue ich mir an, wo es Parkmöglichkeiten gibt. Kann ich mein Auto direkt da abstellen, gibt es Parkplätze, ein Parkhaus in der Nähe? Wo stelle ich mein Auto hin, wenn ich nicht direkt da parken kann, wo ich eigentlich hin müsste? Dann will ich wissen, wie es da aussieht. Schaue nach, ob es Bilder bei Google Street View gibt. Wie sieht das Gebäude aus, in welche Etage muss ich, wie komme ich in andere Etagen? Dann schaue ich mir die Website an. Was finde ich da heraus? Wie sehen die Leute aus, mit denen ich zu tun haben werde? Und so weiter.

Ich habe hier ein Beispiel hinterlegt, wie die Vorbereitung aussieht, wenn ich einen Ausflug mit den Kindern mache. Das mag nach viel Aufwand aussehen und nach wenig Spontaneität. Aber ich plane immer mehrere solche Ausflüge im Voraus. Dann picke ich mir den passenden Ausflug heraus, füge den aktuellen Wetterbericht ein und gut ist.

Wichtig ist mir auch, mir einen zeitlichen Ablauf zu überlegen. Nicht ungern mache ich das auch schriftlich. Dabei gehe ich davon aus, dass ich ca. 15 Minuten vor dem Termin am Ziel sein will. Ich möchte ja nicht zu spät kommen. Für die Fahrt rechne ich dann auch nochmal etwas mehr Zeit ein, als der Routenplaner mir anzeigt. Je nach Tageszeit gehe ich von möglichen Staus oder sonstigen Verzögerungen aus. Und so rechne ich vom Termin zurück und weiss dann genau, wann ich losfahren muss.

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Dabei entstehen auch Wartezeiten. Denn, wenn alles glatt läuft, bin ich dann natürlich 15 Minuten – manchmal auch mehr – zu früh. Früher hatte ich für solche Fälle immer ein Buch mit, wenn ich alleine unterwegs gewesen bin. Heute, im Smartphone-Zeitalter, mache ich das fast nicht mehr (Eigentlich schade! Notiz an mich: Nächstes mal wieder mit Wartezeitenbuch, wenn alleine unterwegs).

Soviel zu den Situationen, die ich planen kann. Aber, alle Welt weiss, man sieht sich immer wieder mit unvorhergesehenen Situationen konfrontiert. Gerade als Familie mit vier Kindern geraten wir in Situationen, die dann komplett anders daherkommen als geplant. Aber sowas von anders! Während ich diese Zeilen schreibe, merke ich, dass ich das unmöglich in diesem Beitrag bearbeiten kann. Das ist ein Thema für sich.

Schon mal vorweg: Für mich ist es schwierig, wenn was anders kommt, als ich es mir vorgestellt habe. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich meistens nicht gut damit umgehe. Ich bin dann gestresst und im Umgang ein wenig umsichtiger Zeitgenosse. Wenn ich, um ein Beispiel zu nennen, die Woche über geplant habe, am Samstag was im Garten zu machen, kann ich mich wahnsinnig darüber aufregen, wenn es dann gerade an diesem Tag regnen muss. Ist die Laune damit im Keller und dort schon gemütlich eingerichtet, kostet es mich viel Energie, sie von da wieder rauf zu kriegen.

Planung ist das halbe Leben, aber Unvorhergesehenes kommt selten allein. Mein Plan für die Zukunft: Erwarte das Unerwartete!