Gastbeitrag -Welch ein Glanz in meiner Hütte :-)

Vor einiger Zeit hat mein Mann mich gefragt, ob ich gern mal einen Gastbeitrag für seinen Blog schreiben möchte. Joaa, kann ich schon, hab’ ich wenig begeistert entgegnet. Ich konnte mir nicht so recht vorstellen, was ich denn da schreiben soll.
Als ich nun seinen letzten Blogeintrag gelesen habe und so ganz lebhaft einige solche Erlebnisse mit unerwartetem Besuch vor Augen hatte, beschloss ich doch, das Geschehen mal aus meiner Sicht zu erzählen.

Ich bin in einer sehr gastfreundlichen Familie aufgewachsen. Öfters habe ich mittags spontan Schulkolleginnen zum Mittagessen nach Hause mitgenommen, weil man die doch über Mittag nicht mit dem Fahrrad mehrere Kilometer heim und wieder zur Schule fahren lassen konnte! Verschwendete Zeit so was, dachte ich und forderte bei meiner Mama ein zusätzliches Tischgedeck an, das sie natürlich unkompliziert zur Verfügung stellte. Auch meine Oma väterlicherseits lebt noch heute ganz nach dem Motto: „5 sind geladen, 10 sind gekommen, giess’ Wasser zur Suppe, heiss’ alle willkommen!“. Dieser Spruch hängt gross und in Kreuzstichen auf einen Stoff gestickt, an ihrem Küchenschrank, seit ich denken kann. Ich muss das alles sehr verinnerlicht haben, denn jemanden spontan zu Essen, Kaffee oder Bier einzuladen kommt mir leicht über die Lippen. Manchmal zu leicht, findet mein „geliebter Gegenpol“. 😁 Es fällt mir nicht schwer, zu quasseln, dabei in der Küche herumzuwuseln und gleichzeitig irgendetwas Leckeres zum Essen zu zaubern. Der Schokoladenkuchen ist innert 15 Minuten im Ofen und kann dann, noch warm, zu Kaffee oder Tee genossen werden. Backzutaten habe ich fast immer im Haus. Es ist allerdings schon vorgekommen, dass nichts da war, ausser einer Tasse Kaffee oder einem heissen Tee. Macht nichts, es geht ja um die Gemeinschaft. So etwas geniesse ich sehr. Dabei tanke ich auf.

Ganz im Gegensatz zu meinem Mann. bzw., im Gegensatz zu meinem Mann, wenn er andere Pläne hat als Besuch. Kann er über längere Zeit, wetter- oder zeitbedingt, nicht das erledigen, was er sich vorgenommen hat, wird er hibbelig. „Heute muss ich Laub saugen!“ brummelt er dann zum Beispiel schon beim Morgenkaffee in seinen Bart und sein Blick schweift dazu leicht in die Ferne. Man muss dann aufpassen, dass man ihm nicht noch in die Quere kommt mit einer „platten“ Bitte, sei es auch nur, beim Vorbeigehen den Kehrichtsack mitzunehmen. Nein, das Laub beherrscht seine Gedanken. Steht mein Mann dann mit diesem lärmenden Ungetüm von Laubsauger im Garten, sieht er ganz zufrieden aus bei seiner Arbeit.
Mit der Zufriedenheit ist aber Schluss, sobald jemand am Gartenzaun steht. In meines Mannes Kopf herrscht das Thema „Laub“ dermassen vor, dass alles andere in dem Moment keinen Platz findet. Selbst einen liebevoll von mir zubereiteten und allgemein beliebten kalten Kaffee, lässt er erst mal stehen. Das Laub muss weg!

Früher hat mich das gestresst. Manchmal verstehe ich es heute noch nicht ganz, wenn im Kopf von meinem Mann gerade kein Millimeter Platz für etwas anderes ist, als das, was er sich vorgenommen hat. Mittlerweile reagiere ich aber meist locker. Ich informiere meinen Mann möglichst im Voraus, dass ich spontan jemanden einladen möchte (so ganz spontan ist das für mich dann nicht mehr ;-)) und sage meinen Gästen gleich, dass mein Mann aber noch Laub saugen oder Kaninchenstall ausmisten oder sonstige Tierchen versorgen muss, bevor er sich vielleicht zu uns setzen wird.

So hat niemand Druck. Und: Hat mein Mann keinen Druck, kann es gut passieren, dass er doch den bereitgestellten kalten Kaffee im Augenwinkel sieht und sich dazusetzt, was ich dann jeweils sehr schätze. 🙂

«Welch ein Glanz in meiner Hütte!»

Dieser höfliche Ausspruch wird verwendet, wenn unerwarteter Besuch kommt. Wie ich hier schon mal erwähnt habe, plane ich möglichst im Voraus. Es versteht sich von selbst, dass das nicht immer möglich ist. Hinzu kommt, dass ich zwar planen kann, dann aber auch alles ganz anders kommen kann. Wenn ich an einem Samstag zum Beispiel einen Gartentag eingeplant habe, möchte ich das dann möglichst auch so durchführen. Jetzt kann es immer wieder mal vorkommen, dass spontan jemand bei uns vorbeikommt und uns unangekündigt besuchen will. Während meine gastfreundliche Frau sich freut, den Gästen Kaffee und Kuchen serviert, bin ich erst einmal blockiert, weil ich eigentlich einen Gartentag eingeplant habe und vor allem die offenen Punkte meiner Liste sehe, die ich an diesem Tag eigentlich hätte tun müssen.

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Das fällt natürlich auf, schon nur, weil ich sowieso nicht der überschwängliche Typ bin, der anderen um den Hals fällt, die zu Besuch kommen. Das will heissen, dass ich mich noch emotionsloser als sonst gebe. Wer mich kennt, hat vermutlich kein Problem damit, weil klar ist, dass das keine Ablehnung ist. In dieser Situation fällt es mir nur sehr schwer, mich von meinem Plan zu lösen und mich zu den Gästen zu setzen. Habe ich mich aber gelöst und mit der Situation abgefunden, beruhige ich mich normalerweise relativ schnell. Wenn es aber zum Beispiel ein paar Wochenenden hintereinander schon nicht geklappt hat und dann ausgerechnet an dem einen Samstag jemand vorbeikommt, an dem ich Zeit gehabt hätte, das Wetter gestimmt hat und auch sonst alles gepasst hätte, wird es schwierig für mich. Normalerweise ziehe ich mein Ding dann einfach durch, weil für mich die Vorstellung, diesen Tag einfach auch noch verstreichen zu lassen, unerträglich ist.

Für die meisten neurotypischen Menschen ist diese «Unbeweglichkeit» wohl nicht nachvollziehbar und einfach nur unhöflich. Mir ist hier aber wichtig zu betonen, dass eine solche Reaktion meinerseits nie gegen die Personen gerichtet ist. Vielmehr ist es ein Unvermögen, eine Not, die innere Spannung, die dadurch entstanden ist, zu überwinden.

Für die meisten neurotypischen Menschen ist diese «Unbeweglichkeit» wohl nicht nachvollziehbar und einfach nur unhöflich. Mir ist hier aber wichtig zu betonen, dass eine solche Reaktion meinerseits nie gegen die Personen gerichtet ist. Vielmehr ist es ein Unvermögen, eine Not, die innere Spannung, die dadurch entstanden ist, zu überwinden.

Welch ein Glanz in meiner Hütte! Dieser ironisch gemeinte Satz könnte von mir sein. Damit würde ich auch vermitteln wollen, dass noch nicht alles getan ist und noch viel erledigt werden müsste. In diesem Sinne, bleiben Sie locker, wenn Sie sich das nächste Mal in einer solchen Situation von jemandem unhöflich behandelt fühlen. Vielleicht haben Sie nur gerade jemandes Gartenarbeitspläne durchkreuzt.

Ausgesprochen Unausgesprochenes aussprechen

Kommunikation ist etwas, das in vielen Lebensbereichen ein Thema ist. Mal ist es falsche oder fehlende Kommunikation zwischen Arbeitskollegen oder gar ganzen Firmenbereichen, mal sind es Ehepaare, die nicht richtig miteinander kommunizieren können. Es gibt viele Probleme, die mit richtiger Kommunikation reduziert werden könnten. Und doch tun wir uns schwer damit.

Kommunikation in einer Ehe zwischen neurotypischen Menschen und Menschen mit ASS sind vermutlich noch einen Zacken komplizierter. Wie immer sei hier festgehalten, dass nicht alle Betroffenen dieselben Erfahrungen machen. Und: Probleme mit der Kommunikation kann es in Ehen jeglicher Couleur geben. Ich kann nur weitergeben, was ich aus meiner Erfahrung dazu schreiben kann.

Ich bin ein Denkertyp. Was sich in meinem Kopf abspielt, könnte ich gar nicht alles wiedergeben, ohne mir den Mund in Fransen zu reden. Manchmal gehe ich das Risiko aber ein. So ergeben sich immer wieder Situationen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Entweder ich spreche plötzlich gar nicht mehr oder ich verliere mich in einem Monolog. Das macht die Kommunikation mitunter schwierig. Verständlicherweise.

Es kommt öfters vor, wenn meine Frau und ich gerade streiten, dass mir plötzlich ein bestimmter Gedanke kommt. Konkret: Ich frage mich, mitten im Streit, ob es sich eigentlich lohnt über das Streitthema zu streiten. Ich mache gedanklich einen Schritt zurück und schaue mir das Geschehen wie von aussen an. Dann kommt mir der Streit lächerlich vor und ich besinne mich darauf, dass ich eigentlich nicht streiten mag. Urplötzlich ist die «Streitmotivation» weg und die Sache ist für mich für vorbei. Für meine Frau ist das Thema aber noch nicht durch und sie läuft sich erst recht warm, wenn sie merkt, dass ich mich zurückgezogen habe. Dann wird es anspruchsvoll. Nicht, weil ich einen Streit einfach abgebrochen habe, sondern weil wir plötzlich emotional in zwei ganz verschiedenen Ecken stehen. Es kann dann schnell mal so wirken, als würde ich das Thema nicht ernstnehmen. Denn ich habe die Sache für mich abgewogen, für mich entschieden, wie ich es handhaben will und es für mich abgehakt. Für meine Frau ein abruptes Ende.

Beinahe alles, was ich machen will oder muss, gehe ich erst einmal gedanklich durch und mache mir Pläne mit verschiedenen Szenarien. So halte ich es oft auch mit Gesprächen. Ich überlege mir, was ich sagen möchte, mache mir Gedanken über mögliche Antworten und gehe verschiedene Varianten durch, wie ich dann auf Reaktionen eingehen soll. So ist es sehr gut möglich, dass ich neben meiner Frau sitze und mit ihr in Gedanken einen Dialog führe. Da gibt es dann Aussagen, Fragen, Antworten, Reaktionen usw. In meinem Kopf finden so die verschiedensten Gespräche statt. Oftmals bin ich jeweils so in diese «Gespräche» vertieft, dass ich gar nicht merke, dass ich schon länger nichts mehr gesagt habe. Ich habe mir beispielsweise überlegt, wie meine Frau auf etwas reagieren könnte, habe sie aber nicht einmal danach gefragt.

Ich weiss nicht, wie das bei anderen Betroffenen Asperger ist. Bei mir ist es es schon so: Je müder oder gestresster ich bin, desto weniger kann ich mich anpassen und ziehe mich in mich selbst zurück. Meine Frau sagt in solchen Situationen, dass ich nur noch körperlich anwesend bin. Bin ich fit, entspannt, gelassen, fällt es mir leichter reale Gespräche zu führen, was dann aber eben zuweilen zu oben erwähnten Monologen führen kann.

Kommunikation ist entscheidend wichtig. So versuche ich immer wieder neu, mich in einem gesunden Masse mitzuteilen und Unausgesprochenes auszusprechen.