Natürlich spreche ich mit mir selbst – manchmal brauche ich eben kompetente Beratung

Es sei vorausgeschickt, dass ich nicht immer alles so ernst meine, wie es den Eindruck machen könnte. Es ist immer auch eine Portion Selbstironie dabei. Meine Frau würde wohl das eine oder andere Emoji setzen. Aber das ist nicht so meine Art. 😒

Als Aspie kommt man nicht umhin, sich zu fragen, welche Eigenschaften (oder Eigenarten) man auch ohne Asperger-Syndrom hätte. Was an mir wäre ebenfalls so, wenn ich kein Asperger hätte? Meine Meinung dazu: Es spielt keine Rolle. Ich habe nämlich keine Vergleichswerte. Es gibt für mich kein Leben ohne Asperger. Da das Asperger-Syndrom nicht etwas ist, was man heilen und «entfernen» kann, gehört alles, was es beinhaltet, genauso zu mir. Es gibt meines Erachtens keine Linie bei der der Aspie aufhört und die «normale» Persönlichkeit beginnt.

In diesem Blog schreibe ich über Erlebnisse, Gedanken und Meinungen. Weil ich Asperger habe, sind es die Erlebnisse, Gedanken und Meinungen eines Aspies. Das heisst aber nicht, dass sich nicht auch neurotypische Menschen in einigem wiederfinden können.

Ich präsentiere mich nicht im Lichtkleid auf dem Marktplatz, wenn ich verrate, dass ich des Öfteren Selbstgespräche führe. Denn Selbstgespräche kennen wohl die meisten Menschen. Diese Selbstgespräche können bei mir unterschiedlicher Natur sein. Manchmal sage ich einfach laut auf, was ich gerade lese oder schreibe, um mich zu konzentrieren, meinen Fokus auf das zu setzen, woran ich gerade arbeite. Ich weiss, dass ich damit nicht allein bin und diese Art von Selbstgesprächen von vielen geführt wird.

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Nun ist es aber auch so, dass ich mich gerne auch selbst unterhalte. Mal rede ich mir beruhigend zu, ein anderes Mal frage ich mich selbst nach meiner Meinung. Oscar Wilde hat einmal gesagt: Ich bin gern der einzige, der redet – das spart Zeit und vermeidet Streitereien. Diese Art von Selbstgesprächen führe ich je nach Begebenheit laut (jedenfalls hörbar) oder auch nur in Gedanken. Manchmal führe ich in Gedanken ganze Gesprächsabläufe, wäge Pros und Contras ab. In solchen Situationen bin ich dann mitunter derart mit mir selbst beschäftigt, dass mich nur eine Einwirkung von aussen unterbrechen kann. Das zeigt sich dergestalt, dass ich halbstunden- oder gar stundenlang schweigend dasitze und keinen Ton von mir gebe. Meine Frau beschreibt das als nur physisch anwesend, aber in Gedanken weit weg sein, wie vom Ballon in die Welt hinausgetragen.

Natürlich spreche ich mit mir selbst – Selbstgespräch ist für mich auch Reflexion und ein Sortieren und Bündeln meiner Gedanken.

«Sei einfach wie du bist. Irgendwann kommt es doch sowieso raus!» – Anonym

Ursprünglich war dieser Blog als komplett anonymer Blog gedacht. Einerseits wollte ich beim Schreiben keine bestimmten Leser im Kopf haben, andererseits wollte ich meine Diagnose nicht allzu weit streuen. Unterdessen gibt es jedoch Freunde, Bekannte oder Verwandte, die von meinem Blog wissen. Ich bin also nicht mehr ganz so konsequent, wie ich das zu Beginn eigentlich sein wollte. Wieso jetzt diese Ausnahmen? Ich möchte auch weiterhin möglichst anonym bleiben und mich hier nicht mit Foto, Namen und sonstigen Angaben präsentieren. Meine Überlegung war aber, dass diejenigen, die sowieso von meiner Diagnose wissen, ruhig auch meinen Blog lesen können. Das eine oder andere Aha-Erlebnis in diesen Beiträgen kann ja auch dazu führen, mich und mein Asperger ein wenig besser zu verstehen. Wieso also nicht einfach meinen Namen daruntersetzen und den Blog in meinem Umfeld publik machen? Schäme ich mich für meine Diagnose? Kann ich nicht dazustehen?

Nun, ich selbst weiss bald vier Jahre von meinem Asperger. Aber auch wenn ich vorher nicht davon wusste, so war ich trotzdem davon betroffen. Als Aspie wird man geboren. Bis vor vier Jahren wusste niemand davon, weil ich die Diagnose selbst noch nicht hatte. Was ist jetzt nach der Diagnose anders? Ich bin noch derselbe Mensch wie vorher. Für mich war die Diagnose ohne Frage eine Erleichterung. Nun kann ich benennen, was an mir anders ist. Mehr und mehr ist es eine Legitimation mich selbst sein zu dürfen. Aber müssen das auch andere benennen können? Muss jeder wissen, dass ich so bin, wie ich bin, weil ich Aspie bin? Für meine Geschwister zum Beispiel oder auch meine Eltern hat die Diagnose eigentlich keine Bedeutung. Sie kennen mich so wie ich bin, sie kennen keine andere Version von mir. Ich bin einfach ihr Bruder, ihr Sohn.569881099342Ich habe die Erfahrung gemacht, dass einige mit den Schlagwörtern «Asperger» oder «Autismus» nicht umgehen können. Viele davon denken sofort an Savant wie Rain Man. «Aber du bist doch gar nicht so» heisst es dann etwa. Wieder andere sehen vielleicht nur eine „Behinderung“. Ihnen ist der Begriff eine willkommene Möglichkeit, alles Negative stark zu gewichten und das Positive nicht mehr sehen zu wollen. Freie Bahn leichtes Opfer zu sein und für Launen von anderen herhalten zu müssen. Je nach Ausprägung und Training kann das Asperger-Syndrom recht lange unerkannt bleiben und dann spielt sich das meiste im Innenleben ab. Ich merke bei mir einfach, je älter ich werde, je «komplizierter» oder «aufwändiger» mein Leben wird, desto weniger kann ich mich verstellen resp. mich anpassen. Ich bin verheiratet und Vater von vier Kindern. Ich habe nicht mehr dieselben Möglichkeiten, mich aus dem Geschehen rauszunehmen und mich wieder zu regenerieren wie früher. Reizüberflutungen machen mich heute viel schneller müde als früher. Von daher drängt der Asperger immer mehr an die Oberfläche.

Indem ich momentan noch weitgehend anonym bleibe, verhindere ich vorschnell abgestempelt zu werden. Viele Menschen – mich eingeschlossen – denken in Schubladen. Diese Schubladen füllen wir mit allen möglichen Vorurteilen und Meinungen. In die Schublade «Asperger» füllen momentan noch viele Menschen negative Assoziationen. Das wird sich hoffentlich ändern. Denn eigentlich möchte ich offen mit dem Thema umgehen, aufräumen mit den Vorurteilen und die Leute auch von den Vorzügen, die Asperger mitbringen erzählen.

«Sei einfach wie du bist. Irgendwann kommt es doch sowieso raus!» Ja, das glaube ich auch und wenn es dann soweit ist, will ich vorbereitet sein.