Ursprünglich war dieser Blog als komplett anonymer Blog gedacht. Einerseits wollte ich beim Schreiben keine bestimmten Leser im Kopf haben, andererseits wollte ich meine Diagnose nicht allzu weit streuen. Unterdessen gibt es jedoch Freunde, Bekannte oder Verwandte, die von meinem Blog wissen. Ich bin also nicht mehr ganz so konsequent, wie ich das zu Beginn eigentlich sein wollte. Wieso jetzt diese Ausnahmen? Ich möchte auch weiterhin möglichst anonym bleiben und mich hier nicht mit Foto, Namen und sonstigen Angaben präsentieren. Meine Überlegung war aber, dass diejenigen, die sowieso von meiner Diagnose wissen, ruhig auch meinen Blog lesen können. Das eine oder andere Aha-Erlebnis in diesen Beiträgen kann ja auch dazu führen, mich und mein Asperger ein wenig besser zu verstehen. Wieso also nicht einfach meinen Namen daruntersetzen und den Blog in meinem Umfeld publik machen? Schäme ich mich für meine Diagnose? Kann ich nicht dazustehen?
Nun, ich selbst weiss bald vier Jahre von meinem Asperger. Aber auch wenn ich vorher nicht davon wusste, so war ich trotzdem davon betroffen. Als Aspie wird man geboren. Bis vor vier Jahren wusste niemand davon, weil ich die Diagnose selbst noch nicht hatte. Was ist jetzt nach der Diagnose anders? Ich bin noch derselbe Mensch wie vorher. Für mich war die Diagnose ohne Frage eine Erleichterung. Nun kann ich benennen, was an mir anders ist. Mehr und mehr ist es eine Legitimation mich selbst sein zu dürfen. Aber müssen das auch andere benennen können? Muss jeder wissen, dass ich so bin, wie ich bin, weil ich Aspie bin? Für meine Geschwister zum Beispiel oder auch meine Eltern hat die Diagnose eigentlich keine Bedeutung. Sie kennen mich so wie ich bin, sie kennen keine andere Version von mir. Ich bin einfach ihr Bruder, ihr Sohn.Ich habe die Erfahrung gemacht, dass einige mit den Schlagwörtern «Asperger» oder «Autismus» nicht umgehen können. Viele davon denken sofort an Savant wie Rain Man. «Aber du bist doch gar nicht so» heisst es dann etwa. Wieder andere sehen vielleicht nur eine „Behinderung“. Ihnen ist der Begriff eine willkommene Möglichkeit, alles Negative stark zu gewichten und das Positive nicht mehr sehen zu wollen. Freie Bahn leichtes Opfer zu sein und für Launen von anderen herhalten zu müssen. Je nach Ausprägung und Training kann das Asperger-Syndrom recht lange unerkannt bleiben und dann spielt sich das meiste im Innenleben ab. Ich merke bei mir einfach, je älter ich werde, je «komplizierter» oder «aufwändiger» mein Leben wird, desto weniger kann ich mich verstellen resp. mich anpassen. Ich bin verheiratet und Vater von vier Kindern. Ich habe nicht mehr dieselben Möglichkeiten, mich aus dem Geschehen rauszunehmen und mich wieder zu regenerieren wie früher. Reizüberflutungen machen mich heute viel schneller müde als früher. Von daher drängt der Asperger immer mehr an die Oberfläche.
Indem ich momentan noch weitgehend anonym bleibe, verhindere ich vorschnell abgestempelt zu werden. Viele Menschen – mich eingeschlossen – denken in Schubladen. Diese Schubladen füllen wir mit allen möglichen Vorurteilen und Meinungen. In die Schublade «Asperger» füllen momentan noch viele Menschen negative Assoziationen. Das wird sich hoffentlich ändern. Denn eigentlich möchte ich offen mit dem Thema umgehen, aufräumen mit den Vorurteilen und die Leute auch von den Vorzügen, die Asperger mitbringen erzählen.
«Sei einfach wie du bist. Irgendwann kommt es doch sowieso raus!» Ja, das glaube ich auch und wenn es dann soweit ist, will ich vorbereitet sein.