Hast du keine Pfeile im Köcher, so misch dich nicht unter die Schützen – Unbekannt (zumindest mir)

Louis Pasteur, der französische Chemiker, hat einmal gesagt: «Der Zufall begünstigt nur den vorbereiteten Geist». Ich versuche also, stets auf möglichst alles vorbereitet zu sein. Dass man das nicht immer sein kann, versteht sich von selbst. Und doch gehe ich eigentlich nie ohne Pfeile im Köcher aus dem Haus. Das heisst zum Beispiel, dass ich mir Gesprächsthemen zu den verschiedenen Personen in meinem Umfeld überlege.

Da ich im IT-Umfeld arbeite, kommt man mit technischen Themen schon mal ziemlich weit. Filme und Serien sind auch immer willkommener Gesprächsstoff. Mit einigen Arbeitskollegen habe ich spezifischere Themen. Mit dem einen rede ich regelmässig übers Grillen, mit einem anderen über Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz oder über leibliche Genüsse der beiden Länder. Es fällt mir wesentlich leichter, mit einer Person im Gespräch zu sein – und vor allem zu bleiben – wenn ich mich auf solche Situationen vorbereite. Ich überlege mir dann mögliche Themen, die eventuell in die Situation oder die Umgebung passen und schreibe mir im Kopf einige Stichworte dazu auf.

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Ich gestehe, dass ich auch schon die typischen Smalltalk-Themen angeschnitten habe. Da mich das Wetter oder die Verkehrslage aber definitiv nicht wirklich interessieren, habe ich nach ein, zwei Sätzen dazu aber schon keine Pfeile mehr im Köcher. Die Stille, die dann entstehen kann, ist meinem Gegenüber wohl unangenehmer als mir, denn meistens beginnt diese Person dann unvermittelt ein komplett anderes Thema, nur um die Stille auszufüllen. Man kann definitiv nicht einfach still nebeneinander hergehen?! #IronieOFF

Smalltalk liegt mir nicht so, das habe ich in diesem Blog schon mal beschrieben. Wenn ein Gespräch dann nämlich auf etwas kommt, was mich interessiert, bin ich fast nicht mehr zu bremsen. Oft weiss ich dann vieles dazu zu erzählen, gehe zu sehr ins Detail und überfordere mein Gegenüber beinahe (oder auch nicht beinahe) mit meinem Redeschwall. Ich bin in den meisten Fällen nicht mit einem Mittelding zufrieden, kenne nur ganz oder gar nicht. Das ist dann auch der Grund, warum ich zu Personen, die mich nicht kennen, erst einmal Themenpfeile in den Köcher stecke, zu denen ich nur kurz was sagen muss und dann dem Gegenüber das Reden überlassen kann.

«Hast du keine Pfeile im Köcher, so misch dich nicht unter die Schützen.» Ja, Vorbereitung ist die halbe Miete, aber manchmal muss man einfach auch die Stille mit mir aushalten können.

Hörverstehen heisst Hören UND Verstehen!

Setzen wir voraus, dass Asperger-Autist nicht gleich Asperger-Autist ist. Somit gehe ich auch davon aus, dass nicht alle Asperger-Autisten davon betroffen sind, wovon ich heute schreibe. Immer wieder finde ich mich in solchen Situationen wieder. Und ich muss zugeben, die Situationen sind häufiger geworden. Ich weiss nicht genau, woran das liegt. Eventuell ist es die grössere Belastung – ich bin mehrfacher Vater -, die Stresssituationen in Job und Alltag, oder wo auch immer der Hund sonst begraben liegt.

Dass ich Mühe habe, mein Gegenüber zu verstehen, wenn andere Gespräche oder Geräusche mich ablenken, davon habe ich schon hier geschrieben. Das kennen die anderen Betroffenen auch, weil wir ja alles gleich laut hören und unnötige Geräusche nicht ausblenden können. Bei mir geht es aber noch etwas weiter. Es kann sogar vorkommen, dass ich mein Gegenüber nicht verstehe, auch wenn keine anderen Geräusche mich ablenken. Keine anderen Gespräche, keine laute Kaffeemaschine, nichts. Und trotzdem habe ich akustisch zwar verstanden, was mir gesagt wurde, die Worte geben aber in meinem Kopf keinen Sinn. Es kommt mir so vor, als hätte mein Verstand nicht auf Empfang gestellt. Die Worte dringen in meine Ohren ein und springen dann wie verrückt in meinem Kopf herum.

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In Sekundenschnelle muss ich die Mosaiksteinchen richtig ordnen und so zusammensetzen, dass sie einen Sinn ergeben. Im besten Fall frage ich nochmals nach, aber wenn ich das Bild immer noch nicht zusammensetzen kann, interpretiere ich meistens aus den Satzteilen, die ich einigermassen logisch zusammenfügen konnte. Ich habe unterdessen eine Sammlung an Ausweichmöglichkeiten, die mich aus solchen Gesprächssackgassen wieder hinausbugsieren können. Das ist ziemlich anstrengend. Vor allem, wenn sich schliesslich herausstellt, dass ich nicht mal diese paar Satzteile richtig kombiniert und interpretiert habe. Dann stehe ich da und habe keinen Plan, was mir gerade gesagt wurde.

Wer das nicht kennt, kann sich das fast nicht vorstellen und die meisten Leute gehen einfach davon aus, dass man halt nicht gut hört/zuhört. Das ist es aber nicht, man kann es sich auch so vorstellen, als würde jemand einen in einer fremden Sprache ansprechen.

Mich würde interessieren, ob es noch mehr Menschen gibt, die das kennen, ob das auch nicht vom Asperger-Autismus betroffene Personen so kennen. Und dann interessiert mich natürlich, wie andere solche Situationen meistern, wenn sie dasselbe erleben.

Was sich in einem Hörtest mal gezeigt hat, erlebe ich immer wieder: Wichtig ist nicht nur das Hören, sondern auch das Verstehen.